EuGH-Urteil: Kindergeld für nicht-erwerbstätige EU-BürgerInnen

In einem lang ersehnten Urteil hat nun der EuGH am 01. August 2022 (C-411/20) darüber entschieden, dass auch nicht-erwerbstätige EU-BürgerInnen gemäß der unionsrechtwidrigen deutschen Regelung nach dem § 62 Abs. 1a S. 1 und 2 EStG Anspruch auf Kindergeldzahlungen in den ersten 3 Monaten des Aufenthaltes in Deutschland haben.

Seit Juli 2019 wurden diese Personen nach neuem deutschen Recht von der Zahlung von Kindergeld in den ersten 3 Monaten des Aufenthaltes ausgeschlossen, sofern sie nicht über Inlandseinkünfte verfügen. Diese Regelung war offen diskriminierend und unionsrechtswidrig. Gemäß Artikel 4 VO 88s/2004 und Artikel 24 Abs. 1 müssen EU-BürgerInnen dem deutschen Leistungsberechtigten gleichgestellt sein. Eine diskriminierende Rechtslage ist ausgeschlossen.

Der EuGH hat auch klar betont, dass es sich beim Kindergeld um eine “Familienleistung“ handelt und nicht mit “Sozialhilfeleistungen“ gleichgesetzt werden darf, so dass eine nach dem Artikel 24 Abs. 2 UnionsRL beruhende Leistungseinschränkung unzulässig ist.

Für die Praxis bedeutet dies zum einen, dass für den Anspruch auf Kindergeld in den ersten 3 Monaten der Hauptwohnsitz in Deutschland sein muss und es sich nicht nur um einen kurzfristigen Aufenthalt handelt. Mit dieser Entscheidung des EuGH haben nun ab sofort alle nicht-erwerbstätigen EU-BürgerInnen in den ersten 3 Monaten des Aufenthaltes in Deutschland Anspruch auf Kindergeld. Diese Rechtsprechung ist in der Praxis auch schon gültig, auch wenn die BA und die Familienkassen noch keine Weisungen heraus gegeben haben.

Altfälle haben nur dann auch rückwirkend Anspruch auf Kindergeld, sofern sie gegen den ursprünglichen negativen Bescheid Widerspruch eingelegt haben und die Familienkasse darüber informiert haben, dass die Entscheidung zum Kindergeldanspruch nicht erlischt.

Zurück
Zurück

Update: Referentenwurf zum neuen Bürgergeld

Weiter
Weiter

Entscheidungen zum AsylbLG